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Über Betonwände. Aus dem Tagebuch eines Lyrik-Aussteigers




I .


Was ich mache, ist luftleer, schwebt im Raum, unkontinuierlich. Ich gehe nicht weiter. Ich falle aus und ab und zu irgendwas an, Hauptsache Fallen. Ich stelle es mir sehr schön vor, wie es sein muss, wenn man irgendwo drauf sitzt, und weiß dass man hochgestiegen ist und jetzt könnte man zwar fallen oder vor weiteren Anstiegen kapitulieren aber man hat es doch irgendwie in so einer Situation nicht nötig ständig um sich zu schlagen, als rotierte man die ganze Zeit mit den Armen, immer aus irgendeiner Rolle fallen, die man nie richtig gespielt hat. Immer jemanden attackieren. Das ist mir sehr unangenehm. Ich weiß, dass ich mich nie vom Vorwurf des Größenwahns werde freisprechen können, aber Größenwahn mitten in der Luftleere kann doch sehr anstrengend sein. Eigentlich hat mich diese Art der Atmosphäre aber schon immer umgeben, seit meine Kindheit zu Ende gegangen ist. Von Erwachsenwerden kann man nicht sprechen. Die Luftleere, das ist das Chaos, wenn deine Welt zum Beispiel so überfüllt ist, dass alle Pläne zerbrechen, alle kleinen Schritten nur noch Trippeln sind, bei dem die Beine übereinander stolpern, so dass überhaupt nicht mehr auch nur die Möglichkeit eines Fundaments für Kontinuität da ist. Die Luftleere, die ist da in den Momenten der Verzweiflung wie in denen der erschöpften Melancholie, in denen des angestrengten Alltags, in denen des Größenwahns, in denen der Aggression, in denen der Angst vor jedem nächsten Tag und dem Tod.


Anfangen, ja das ist gut. Öfter höre ich auf. Ob als Scheitern, an die Betonwand Rasen, ob als Kapitulation vor einer Welle, ob in langsamer Erschöpfung. Am schönsten ist es natürlich, wenn es einfach durch Selbstreflexion passiert. Aber Selbstreflexion, die nicht wehtut, ist ja eigentlich keine. Anfangen fällt schwerer. Ein bisschen wie Aufstehen, gerade im Winter, wenn die Decke warm ist. Ich erinnere mich an irgendeinen Morgen, wo ich in so einer Situation mal Schostakowitschs Klavierquintett hörte. Die Kunst, in die man seine Luftleere hineinzusaugen versucht, an der man seinen Größenwahn spielen lassen kann, in der das Scheitern besonders Spaß macht, verändert sich über die Zeit. Immer wechselnde Projektionsmöglichkeiten sind eh ganz wichtig. Natürlich mehrere gleichzeitig, aber eng, straff gebündelt, so dass sie alle in den einen Zug hineinpassen, mit dem man dann irgendwann wieder gegen die Betonwand fährt, bevor oder während neue Ideen kommen. So radikal, wie sie sind, so peinlich sind sie, so übertrieben, wie sie sind, sind sie aggressiv. Da entsteht eigentlich schon viel Neues, nur wird es immer so fest festgeklammert, dass es sich als Neues nie zeigen kann und dann eben oft nur als übersteigerte Gewohnheit sichtbar wird. Übersteigerung im luftleeren Raum eben, wo nur echtes Neues revolutionäre Sicherheitsgefühle erzeugen könnte.



II.


Ich halte es gerade schwer aus, wenn wo nicht Verzweckung ist. Kann Sprache nur als überirdischer Vulkanausbruch etwas anderes sein als gestelzt? Ich möchte Unmittelbarkeit herstellen. Ich finde es wirklich spannend, wenn man ganz anders klingt, als man von sich denkt oder für richtig hält.



III .


Die lyrische Sprache ist in sich sehr geschlossen. Jeder Vers beugt sich, ausgesprochen, in sich zurück. Jedes Gedicht markiert eine Innenwelt. Wie breche ich aus dieser Sprache aus? Ohne ins Erzählen zu verfallen, das einen nicht interessieren kann, dem es um Ausdruck geht.

Wie löse ich mich aus meiner Lähmung? Bin ich zu dumm und ungebildet und überhaupt avantgarde-fremd, so dass mir einfach die wesentlichen Errungenschaften moderner Prosa mangeln, die sich nicht in eben das alberne, spielerische, bemühte Erzählen der Popliteratur zerlässt?

Ich höre die Tage viel Verachtung, aber gerade das macht mir irgendwie Mut, wissend, dass es die Falschen sind, die da über mich urteilen. Mut zu meinen Gedanken zu haben fällt mir auch nicht schwer. Ein anderes ist die Frage nach Mut zu meiner eigenen Bühne. Letztlich muss alle Kunst irgendwann mal ins Theater. Wo gehöre ich jetzt hin? Beschäftige ich mich, wenn ich mir aus dem Saal heraus applaudiere, zu wenig mit meiner Rolle, um noch konzentriert spielen zu können? Muss es nicht in pathetischem Gebärdengewitter enden? Und wie sollte es ohne Eigenapplaus gehen?


In der Lyrik lässt sich sehr leicht Ohnmacht manifestieren. Ich habe das Gefühl, wenn man sie verlässt, muss man Experimente wagen, die deren Horizont überschreiten.



IV.


Nur die Betonwände gegen die du fährst, sind es die zählen. Allein erlangt kein Beton Transzendenz. Es ist völlig egal, wo du aufhörst und wo beginnst. Auf welche Weise du lernst und welche Wege zu dir gehören. Wahrheit ist immer heilig. Es gibt keinen Untergang vor der Verpflichtung, es gibt keinen Untergang vor der Ökonomie, es gibt keinen Untergang vor der Familie, es gibt keinen Untergang vor dem Schaffen. Jedes Leben kann durch Rock'n'Roll gerettet werden. Unser aller Seelen sind dialektischer Natur und aus jedem unserem Staub ist ein Feuer entzündbar. Es gibt kein totales Versagen. Es gibt in der Kunst keinen Tod, nur das Töten. Es ist egal, auf welche Weise du lebst. In der Kunst kannst du nicht untergehen. Die Kunst ist größer als wir. Die Nähe ist entscheidender als die Isolation der Menschen. Wogegen du fährst, fahr krass.


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