30. Sept. 2020

Zwischen Dystopie und Utopie

Es ist wie
 
mit geschlossenen Augen gehen
 
und vertrauen, dass man nicht fällt
 
So fängt alles an
 
Die Hybris des Menschen,
 
dass er alles bezwingen kann
 
Der Natur unterlegen,
 
machen wir sie uns unterlegen,
 
indem Touristenschwärme sich bewegen
 
Wollen sie sehen, in uns aufnehmen
 
all die Wunder und Aussichtspunkte
 
Doch wir sind nicht dafür gemacht
 
Keine Nachtsicht, schwache Knöchel,
 
Instinkte längst verlernt, abgeflacht
 
Zivilisation und Beton,
 
der das Grüne, Wilde stört
 
Doch mit geschlossenen Augen gehen,
 
nicht fallen, darauf vertraut
 
Denn schließlich haben wir diesen Elfenbeinturm
 
und ein ganzes Königreich gebaut
 
Touristenschwärme bevölkern das Land,
 
verbreiten unsere Ängste vor der Dunkelheit
 
in jedem Wald und überschwemmen die Luft
 
Bald kein Platz zum Atmen, dicht an dicht
 
Jeder mit dem Gedanken
 
„Ich will das nur für mich“
 
Werden unsere Füße Abdrücke zeichnen,
 
unser Dasein, Flagge auf neuem Kontinent
 
zumindest Online
 
Auf Google Maps, Geotag, Hashtag,
 
neuer Instagram Post
 
Sehen durch unsere Linsen
 
immer so wie von uns gewollt
 
Ignorieren die Peripherie,
 
das Desaster, dass wir auslösen
 
Stehen mit dem Rücken zur Domino Kette,
 
solange dieser neue Ort nur uns gehört
 
Zumindest für einen Moment
 
Die Domino Kette entfaltet sich
 
und Touristenschwärme walten
 
Nun gehört das Land wirklich uns,
 
weil wir Grün und Berge
 
mit Beton gestalten, tapezieren,
 
dem Erdboden gleichmachen
 
Ein tragisches „Schöner Wohnen, Schöner Leben“
 
Einsatzkommando ohne Hintergedanken
 
Nur der Rücken gewandt zur Dominostein Wand,
 
Augen geschlossen
 
Hauptsache gehen auf Beton Wegen
 
ohne zu fallen, so fern von
 
aller Natürlichkeit
 
Für uns das Natürlichste auf der Welt
 
Das Kind, dass das liebste Haustier
 
zu fest in seinen Händen hält
 
Sollten wir aufhören zu zähmen,
 
die Natur annehmen
 
und uns manchen Anblicken
 
nur aus der Ferne hingeben
 
Vergiftet doch jede Berührung,
 
jeder Schritt die Natur, das Wild
 
Stehen wir nie still, „Fortschritt“
 
könnten doch fallen
 
in all der Unebenheit,
 
all dem Unbekannten
 
Auf einsamer Straße umgeben
 
von aufgerankten Bäumen
 
geht das Wild
 
Wünscht sich zu gehen
 
mit geschlossenen Augen
 
Doch Betonboden und Staub,
 
ein KNALL
 
Das Wild liegt verfallen
 
auf grauem Stein
 
Einer von vielen Dominosteinen,
 
nur einmal Natur bleiben,
 
nur einmal mit geschlossenen Augen
 
gehen und nicht fallen
 
Auf den Betonstein
 
wieder eins mit den Pflanzen sein
 
Blumen wachsen wieder
 
in der Zukunft
 
wo Autos fuhren
 
und das Wild wild blieb
 
inhärente Natur

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