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Kommst du klar?


{ Minidrama }


Personen: Lara, Alex



Alex sitzt am Schreibtisch in seiner Wohnung. Er tippt auf seinem Laptop herum. Dann starrt er auf den Bildschirm.


Eine automatische Stimme sagt: «You're currently the only person in this meeting.»


Alex bemerkt das Headset, das neben ihm liegt. Er steckt es ein, setzt es auf und aktiviert seine Kamera. Als er sich im Bildschirm sieht, macht er die Schultern breit. Alex streicht sich die Frisur zurecht, bis ihn ein Klingelton aufschreckt. Lara erscheint am Bildschirm.


Lara: «Hej Alex!»


Alex: «Hey!»


Lara: «Hat ja doch noch geklappt.»


Alex: «Ja. Ich bin jetzt an meinem privaten Rechner.»


Schweigen.


Alex: «Sorry, dass das so blöd gelaufen ist.»


Lara: «Wie ist das denn passiert?»


Alex: «Ich war bisschen euphorisch im Treppenhaus.»


Lara: «Euphorisch?»


Alex: «Ich war an der Idee dran. Ich hatte sie. Endlich. Aber dann hab' ich Angst bekommen, dass sie gleich weg ist. Da bin ich wohl bisschen zu schnell die Treppen hoch gerannt.»


Lara: «Was ist denn genau passiert?»


Alex: «Ich bin gestolpert. Mit dem PC.»


Lara: «Oh je, hast du dich verletzt?»


Alex: «Nur bisschen die Haut aufgeschürft. Hier.»


Alex hält die Hand in die Kamera. Sie ist verbunden.


Lara: «Du machst ja Sachen.»


Alex: «Ja, Sorry. Ich ärgere mich da ja selbst drüber.»


Lara: «Das sieht nicht nur leicht aufgeschürft aus.»


Alex: «Ach, ich hab' das nur vorsorglich so eingepackt. Das wird schon.»


Lara: «Das ist an dem Tag passiert, als du ins Home Office bist?»


Alex: «Ja, genau.»


Lara: «Du bist da ja jetzt schon eine Weile.»


Alex: «Ja, der Rechner ging erst noch und das Tippen ging auch noch halbwegs. Aber jetzt ist der Rechner komplett hin. Ich bin da echt ziemlich blöd draufgefallen.»


Lara: «Das klingt alles nicht gut. Willst du nicht lieber zum Arzt?»


Alex: «Ich wollte mich eigentlich auf die Deadline morgen konzentrieren.»


Lara: «Das klingt nicht danach, als könntest du die einhalten.»


Alex: «Die Idee ist noch da. Die Emotion ist einfach grade weg, verstehst du?»


Lara: «Hast du noch eine Version des Texts?»


Alex: «Im Rechner. Die sind alle im Rechner.»


Lara: «Kontaktiere mal bitte die IT deswegen.»


Alex: «Ah, das wollte ich dich eh noch fragen.»


Lara: «Hm?»


Alex: «Hast du irgendwo meine Passwörter?»


Lara: «Nein.»


Alex: «Ich komm' nirgends mehr rein. Die Passwörter müssten aber noch stimmen. Kennst du dich damit aus?»


Lara: «Ich kenn' deine Passwörter nicht.»


Alex: «Ich änder' die öfter als nötig. Das ist am sichersten. Aber jetzt hab' ich mich irgendwie selbst ausgetrickst.»


Lara: «Kontaktier einfach mal die IT.»


Alex: «Hast du da eine Durchwahl?»


Schweigen.


Alex: «Sorry.»


Lara: «Ich poste die IT-Durchwahl hier im Chat, Ok?»


Alex: «Ok, danke. Ich hätte mir die Nummer aufschreiben müssen. Ich weiß. Ich weiß das eigentlich.»


Lara: «Lass' uns kurz über den Text reden. Kann ich dich noch irgendwie unterstützen?»


Alex: «Ich hab' wirklich versucht, da wieder reinzukommen. Ich dachte auch, dass ich sicherer bin. Das verunsichert mich grade extrem.»


Lara: «Wenn ich die Deadline ein paar Tage schiebe, kommst du dann hin?»


Alex: «Ich hab' mich total selbst überschätzt, Lara. Kennst du das?»


Lara: «Das kriegen wir schon hin.»


Schweigen.


Alex: «Wie machst du das eigentlich im Home Office? Kommst du klar?»


Lara: «Ich hab' mich dran gewöhnt. Aber ich hab' ja nur zwei Tage in der Woche.»


Alex: «Darf ich ehrlich sein?»


Lara: «Klar.»


Alex: «Ich hab' nichts gearbeitet, Lara.»


Schweigen.


Alex: «Ich hab's versucht. Aber es ging nicht. Ich hab' nichts gemacht.»


Lara: «Ok?»


Alex: «Weißt du, wie ich mich zuhause fühle?»


Schweigen.


Alex: «Wie in nem achtstündigen Film von Lars von Trier. Jeden Tag.»


Schweigen.


Alex: «Ich glaube, mein Zeitempfinden ist kaputt gegangen, Lara. Im Büro hat es sich angefühlt, wie acht Stunden Adam Sandler. Erst dachte ich, dass das am Büro liegt, aber jetzt weiß ich: es liegt an mir.»


Lara: «Wie lange schleppst du denn das schon mit dir rum?»


Alex: «Kennst du Loch Lomond?»


Lara: «Nein.»


Alex: «Die hab' ich im Büro gehört. 'Stripe'. Immer wieder. Aber ich hab' das Lied nie ganz gehört. Ich hab' immer an der gleichen Stelle auf Repeat gedrückt: 'It's the speed of what's to come.' Als wäre da jetzt eine Ruhe, bei der ich mich endlich konzentrieren kann. Als könnte ich mich so von diesem Adam-Sandler-Gefühl befreien. Aber das war nur diese Zeile. Das war viel zu wenig. Deswegen musste ich da so dringend raus.»


Lara: «Alex, lass' die Hand morgen mal von Fachleuten anschauen, ja?»


Alex: «Ich dachte, zuhause hab' ich mich besser im Griff. Und daheim hat es sich auch besser angefühlt. Ich konnte das Lied wieder komplett hören. Das hat mich gepusht, das hat mich extrem gepusht. Aber ich konnte das einfach nicht mehr abschalten, Lara. Ich hab' nichts hinbekommen und wieder auf Repeat gedrückt. Immer wieder. Jetzt einfach an ner anderen Stelle: 'Oh to wash my skin'.»


Schweigen.


Alex: «Was würdest du machen, wenn du das immer wieder hören würdest: 'Oh to wash my skin'?»


Lara: «Ich muss das Gespräch kurz sacken lassen, Alex. Ok?»


Alex: «Irgendwann musste ich mich einfach von diesem Scheiß-Rechner lösen, Lara. Es ging nicht anders. Ich hab' mit dem Bildschirm drauf eingedroschen, bis ich gemerkt habe, dass ich blute. Es ging nicht anders.»


Schweigen.


Alex: «Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich vorher das letzte Mal mein Blut gesehen habe. Ich glaube, ab und zu braucht man sowas. Das hat echt gut getan.»


Schweigen.


Alex: «Ah, jetzt seh' ich die Nummer der IT. Danke dir.»


Schweigen.


Alex: «Kannst du mir noch kurz sagen, wie ich das jetzt am besten formuliere?»


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